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#sachbuchpreisbloggen: Bettina Baltschev „Am Rande der Glückseligkeit“


#sachbuchpreisbloggen: Bettina Baltschev „Am Rande der Glückseligkeit“

Martina Müller-Nauhaus, Nordbreze

»So weit das Auge reicht«. An einem Nordseestrand – auf Schiermonnikoog vielleicht – muss die Redewendung entstanden sein, so weiß, weit und leer liegt er da, ein magisches, manchmal unheimliches Niemandsland, wo Land und Meer ineinander übergehen. Hier beginnt Bettina Baltschev ihre Reise zu den Stränden Europas, an die Ränder unseres Kontinents. Von acht Stränden in acht Ländern aus unternimmt sie Exkursionen in die Gegenwart und die Geschichte eines Sehnsuchtsortes, der manchen letzte Zuflucht ist. Sie macht Ausflüge zu Literatinnen und Künstlern, die sich vom seltsamen Zauber des Strandes haben inspirieren lassen, beobachtet die immer neuen Landschaften und die Menschen darin und erzählt mal heiter, mal bewegend, immer leicht und elegant von wahren und fiktiven, glücklichen und tragischen Schicksalen am Strand. Am Rande unserer Welt.

Der Deutsche Sachbuchpreis möchte Sachbücher auszeichnen, »die Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung geben«. Die diesjährige Nominiertenliste zeigt dabei eine erstaunliche Bandbreite an Themen, von Geschichte und Grenzen über Nazis und Kolonialismus bis hin zu Tieren und Osteuropa. Ich freue mich sehr, dass ich als eine von acht Sachbuchpreisblogger*innen ein Buch zugelost bekommen habe, das mein Meer-Herz höher schlagen lässt: »Am Rande der Glückseligkeit. Über den Strand« von Bettina Baltschev, erschienen im Berenberg Verlag.

Bettina Baltschev ergründet in »Am Rande der Glückseligkeit«, woher die Leidenschaft für den Strand, die so viele Menschen fühlen, überhaupt kommt. Denn so lange wird dieser Bereich zwischen Meer und Land noch gar nicht von Menschen als Freizeitort genutzt. 1793 fragt sich beispielsweise der Naturwissenschaftler und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg in einem Aufsatz: »Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?« (Seite 36). Zu dieser Zeit sind in Großbritannien bereits seaside resorts in vielen kleinen Dörfern an der Küste etabliert. 

Und so begibt sich Bettina Baltschev auf eine Reise zu acht ganz unterschiedlichen europäischen Stränden. Ausgehend von Scheveningen in den Niederlanden geht es weiter nach Brighton und Ostende, an den Utah Beach in der Normandie, auf die Inseln Hiddensee und Ischia, nach Benidorm in Spanien und schlussendlich auf die griechische Insel Lesbos. Jeder Strand dient dabei dazu, den Mikrokosmos »Strand« in all seinen Facetten zu zeigen.

Scheveningen steht stellvertretend für die im 19. Jahrhundert so beliebte Landschaftsmalerei, in der insbesondere in den Niederlanden der Strand eine wichtige Rolle spielt. Dabei kann es am Strand auch durchaus wild zugehen, wie im Jahr 1602 der Erfinder Simon Stevin mit seinem Segelwagen beweist, mit dem er mit knapp 40 Stundenkilometern über den Sand rast. 

Brighton ist eines der ältesten Seebäder der Welt und etablierte das Baden im Meer als gesunde Leibesertüchtigung, die im 19. Jahrhundert noch mit bathing machines betrieben wurde, großen Holzkarren, die ins Meer gefahren wurden, damit niemand die badenden Menschen sehen konnte. Schließlich lassen sich durch die nasse Kleidung Körperstellen erahnen, die man schicklicherweise nicht sehen soll. 

Im Kontrast dazu steht Benidorm als moderne Strandindustrie, in der der Erholungsurlaub in Form von Pauschalreisen bis ins letzte Detail durchgeplant ist. 

Ostende, Hiddensee und Ischia stehen unter anderem für Strände, die für Künstler*innen wie Irmgard Keun, Max Beckmann, Gerhart Hauptmann, Hanns Cibulka, Truman Capote oder Ingeborg Bachmann zum rettenden Hafen werden, Utah Beach verdeutlicht die historische Bedeutung von Stränden und wie mit diesem Erbe umgegangen wird und Lesbos zeigt, was es bedeutet, wenn der europäische Gedanke von einer vereinten, friedlichen Welt mit Füßen getreten wird. 

»Strand« kann für so vieles stehen. Auf der einen Seite denke ich persönlich dabei an Italienurlaube an der Adria mit bunten Sonnenschirmen und einem aufblasbaren Krokodil, auf der anderen Seite träume ich von menschenleeren Stränden, an denen mich der Wind durchpustet. Für all diese Bilder und noch viele mehr hat der Strand Platz, das zeigt Bettina Baltschev eindrücklich in ihrem Buch mit vielen Verweisen auf Literatur, Kunst und Film. 

Und so weckt »Am Rande der Glückseligkeit« das Fernweh in mir. Der nächste Strand ist von München aus ungefähr 5 Stunden Autofahrt entfernt. Das ist doch recht weit, um einmal die Füße in den Sand zu stecken und durchzuatmen. Stattdessen blättere ich noch einmal durch Bettina Baltschevs Buch und erfreue mich an all den klugen, wahren Gedanken, die ich unterstrichen habe. 

»Dazu kommt man doch an den Strand, nicht wahr? Um uit te waaien, wie die Niederländer das nennen, sich vom Seewind durchpusten zu lassen, den Kater vom Vorabend im Meer zu versenken und alle schweren Gedanken und schlechten Stimmungen gleich mit.« (Seite 10)

Der Originalbeitrag von Martina Müller-Nordhaus ist auf ihrem Blog Nordbreze erschienen.


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